Er blüht
wunderschön, der Löwenzahn (Taraxacum officinale). Er ist gesund
und braucht oft nur eine schmale Ritze im Pflaster und kostet nichts.
Wild- und Honigbienen lieben ihn, von seinen Blättern und Wurzeln
leben die Raupen von über 40 Arten von Kleinschmetterlingen. Auch
uns schmeckt er als pikanter Wildsalat und unsere Stallhäschen
mümmeln ihn mit sichtlichem Vergnügen in sich hinein. Aber er hat
schwere Fehler: Er ist häufig. Er kommt von allein. Er ist
pflegeleicht und besonders schlimm: er kostet nichts.
Wäre er
selten und teuer wie eine Orchidee, bräuchte er anspruchsvolle
Pflege und sei sehr empfindlich – ja, dann wäre das anders. Dann
gäbe es nicht nur eine Deutsche Gesellschaft der Orchideenfreunde,
sondern auch eine Deutsche Gesellschaft der Löwenzahnfreunde. Doch
so gilt er als Unkraut, wird abgehackt, raus gestochen und – zefix
- kommt trotzdem immer wieder. Er ist eben unverwüstlich.
Ein Ritze
im Pflaster reicht ihm und belebt das Pflaster
Wildbiene (Schmalbiene) auf Löwenzahn
Der
seltene Buntkäfer Trichodes alvearius nährt sich von
Löwenzahnpollen, seine Larve von Wildbienenlarven, die wiederum vom
Löwenzahnpollen leben.
Wildbienenei auf Löwenzahnpollen in Brutgang
Larve des
Buntkäfers in Wildbienengang
Nehmen wir
doch einmal die Marketingbrille ab. Im Frühjahr kommt eine Blüte
nach der anderen. Doch was wir als >eine< Blüte sehen, ist in
Wahrheit ein ganzer Blütenstand mit hundert und mehr Einzelblüten.
Pro Löwenzahnpflanze können es bis zu 5.000 (!) Einzelblüten sein.
Jede wird zu einer Frucht, die an den bekannten Fallschirmen der
Pusteblume hängt und von Wind und Kindermund verbreitet wird. Aber
nur, wenn sie nicht vorher gefressen wird. Überall in den Siedlungen
kann man das Ergebnis sehen:
Aufgebrochener Löwenzahn
Wer bricht
die unreifen Pusteblumen auf und holt den unreifen, noch milchigen
Samen heraus? Mäuse? Nein, es sind unsere Finken und Spatzen, die
sie verspeisen und teilweise auch ihrer Brut verfüttern, aber auf
jeden Fall für die anstrengende Jungenaufzucht auch dank der
Löwenzahnsamen fit bleiben. Wir geben Winter für Winter Milliarden
für Vogelfutter aus, damit die armen Vögel überleben.
Feldspatz
am Winterfutter. Auch die Feldspatzen werden immer seltener.
Aber dann,
wenn sie es auch dank unserer Hilfe geschafft haben und im Frühling
Nachwuchs hochziehen müssen, dann schwächen wir sie und entziehen
ihren Jungen sozusagen einen Teil ihrer Säuglingsnahrung. Der
andere Teil besteht aus Blattläusen, Raupen und anderen Kleintieren,
die wir auch noch immer bekämpfen. Logisch ist das alles nicht.
Dr.
Friedrich Buer