Das trübe Winterwetter legt seinen
Grauschleier über alles. Umso mehr fällt jetzt rot gefärbte
Baumrinde auf. Vor einigen Jahren war das Phänomen noch selten,
inzwischen sieht man sie immer häufiger, meist an Stämmen und in
Bodennähe, fast so, als wären Graffiti-Schmierer am Werk. Doch die
sind unschuldig.
Die Färbung von hellrot über rostrot
bis rotbraun entsteht durch Milliarden von rot gefärbten fädigen
Algenzellen, jede kaum hundertstel Millimeter groß und nur im
Mikroskop zu sehen (s. Zeichnung). Sie gehören zur Gattung
Trentepohlia und obwohl sie rot aussehen, sind es keine Rotalgen
sondern Grünalgen (Chlorophyta). Normalerweise leben Algen im
Wasser, doch Trentepohlia und einige andere sind quasi zu
Landpflanzen geworden, zu Luftalgen. Sie werden durch den Wind
verbreitet, überstehen wochenlange Trockenheit und müssen nur
gelegentlich feucht werden. Der rote Farbstoff liegt als winzige
Körnchen in ihren Zellen und gehört zu den Carotinoiden, die auch
die Möhren und Hagebutten rot färben und auch als Provitamin A
bekannt sind. Bei Trentepohlia schützen sie wahrscheinlich die
Fotosynthese vor Überstrahlung durch UV-Licht. Überall findet man
neuerdings diese Luftalgen, auch an Waldwegen, Flussläufen und sogar
in Reinluftgebieten.
Früher waren solche Algen als
„Güllealgen“ bekannt, denn man fand sie in der Nähe von Ställen
und Güllegruben. Sie lieben und brauchen Ammonium als
Stickstoffdünger und der entweicht als Ammoniak aus Güllegruben und
Tierställen. Doch da, wo wir die rote Baumrinde sehen, finden wir
weder Güllegruben noch Ställe. Woher also kommt das Ammonium? Das
kommt aus den Katalysatoren von Benzinautos, aber nicht aus denen von
Dieseln! Das hat der bekannte Moosspezialist Jan-Peter Frahm schon
vor fünf Jahren herausgefunden und dafür überzeugenden Beweise
veröffentlicht (Biologie in unsere Zeit“ 2/2008(38), 94-101). An
den Naturschutzverbänden scheint diese Erkenntnis vorbei gegangen zu
sein, weil sie nicht zur modischen Verteufelung des sparsamen
Dieselmotors passte.
Katalysatoren sollen die Stickoxide der
Abgase zu vermindern. Denn die wirken wie Stickstoffdünger, der
flächendeckend verbreitet wird und sich auch auf artenreichen
Magerwiesen mit Orchideen niederschlägt. Jedes Jahr sind das
immerhin 40 kg Stickstoff auf jeden Hektar. Folge: stickstoffliebende
Arten werden einseitig gefördert und Magerpflanzen wie Orchideen
verdrängt. Stickoxide sind deshalb Gift für die Biodiversität.
Doch schon vor fünf Jahren war klar, dass wir den Teufel mit dem
Belzebub ausgetrieben haben. Denn anstelle von Stickoxiden wird
Ammoniumnitrat aus dem Auspuff geblasen und zwar als Feinstaub, an
dessen Gesamtmenge es sogar 20 bis 70 Prozent beteiligt ist.
Schlimmer noch: Ammoniumnitrat düngt noch wirksamerer als
Stickoxide! Und das alles aus den sauberen Benzinern und nicht aus
den von den Naturschutzverbänden verteufelten Dieseln!
Vom Ammoniumnitrat profitieren Ammonium
liebende (= ammoniophile) Pflanzen wie Trentepohlia, aber auch einige
Moose und Flechten wie die auffällige Gelbflechte Xanthoria
parietina, die man inzwischen überall auf Zweigen und Steinen sieht
und deren leuchtendes Gelb jetzt auch besonders auffällt. Ebenfalls
stark zugenommen haben Brombeeren, Hollunder und Brennesseln, die
dank der Düngung per Kat inzwischen in Wäldern wachsen, wo sie
früher nur ausnahmsweise vorkamen. Sogar auf den mageren Böden von
Kiefernwäldern wuchern Brombeeren. Das gab es noch nie.
Ammoniumnitrat ist ein Salz und wirkt
deshalb ähnlich wie das Meersalz, das der Wind an die Küsten ins
Land weht und das man auf den Lippen schmecken kann. Nur
salztolerante Küstenpflanzen halten das aus. Nun haben sich aber
diese salztoleranten Pflanzen fern der Küsten auf den Mittelstreifen
der Autobahnen verstärkt ausgebreitet, obwohl in den letzten Jahren
weniger Salz gestreut wurde und die Salztoleranten eigentlich weniger
werden müssten. Auch hier soll nach Jan-Peter Frahm Ammoniumnitrat
aus den Kats der Benziner Grund sein, denn es wird zwar weniger Salz
gestreut, aber es fahren mehr Auto mit Kat.
Birnbaumstamm mit roten
Trentepohlia-Algen
Gelbflechten (Xanthoria parietina)
überwachsen die Äste
Mit roten Carotinoiden gefüllte
Trentepohlia-Zellen, links unten zum Größenvergleich ein Sandkorn
(Zeichnung nach Mikroskop)
Dr. Friedrich Buer