9. Juni 2015

Löwenzahn

Er blüht wunderschön, der Löwenzahn (Taraxacum officinale). Er ist gesund und braucht oft nur eine schmale Ritze im Pflaster und kostet nichts. Wild- und Honigbienen lieben ihn, von seinen Blättern und Wurzeln leben die Raupen von über 40 Arten von Kleinschmetterlingen. Auch uns schmeckt er als pikanter Wildsalat und unsere Stallhäschen mümmeln ihn mit sichtlichem Vergnügen in sich hinein. Aber er hat schwere Fehler: Er ist häufig. Er kommt von allein. Er ist pflegeleicht und besonders schlimm: er kostet nichts.

Wäre er selten und teuer wie eine Orchidee, bräuchte er anspruchsvolle Pflege und sei sehr empfindlich – ja, dann wäre das anders. Dann gäbe es nicht nur eine Deutsche Gesellschaft der Orchideenfreunde, sondern auch eine Deutsche Gesellschaft der Löwenzahnfreunde. Doch so gilt er als Unkraut, wird abgehackt, raus gestochen und – zefix - kommt trotzdem immer wieder. Er ist eben unverwüstlich.

Ein Ritze im Pflaster reicht ihm und belebt das Pflaster

Wildbiene (Schmalbiene) auf  Löwenzahn

Der seltene Buntkäfer Trichodes alvearius nährt sich von Löwenzahnpollen, seine Larve von Wildbienenlarven, die wiederum vom Löwenzahnpollen leben.


Wildbienenei auf Löwenzahnpollen in Brutgang 



Larve des Buntkäfers in Wildbienengang

Nehmen wir doch einmal die Marketingbrille ab. Im Frühjahr kommt eine Blüte nach der anderen. Doch was wir als >eine< Blüte sehen, ist in Wahrheit ein ganzer Blütenstand mit hundert und mehr Einzelblüten. Pro Löwenzahnpflanze können es bis zu 5.000 (!) Einzelblüten sein. Jede wird zu einer Frucht, die an den bekannten Fallschirmen der Pusteblume hängt und von Wind und Kindermund verbreitet wird. Aber nur, wenn sie nicht vorher gefressen wird. Überall in den Siedlungen kann man das Ergebnis sehen:

Aufgebrochener Löwenzahn

Wer bricht die unreifen Pusteblumen auf und holt den unreifen, noch milchigen Samen heraus? Mäuse? Nein, es sind unsere Finken und Spatzen, die sie verspeisen und teilweise auch ihrer Brut verfüttern, aber auf jeden Fall für die anstrengende Jungenaufzucht auch dank der Löwenzahnsamen fit bleiben. Wir geben Winter für Winter Milliarden für Vogelfutter aus, damit die armen Vögel überleben. 


Feldspatz am Winterfutter. Auch die Feldspatzen werden immer seltener.

Aber dann, wenn sie es auch dank unserer Hilfe geschafft haben und im Frühling Nachwuchs hochziehen müssen, dann schwächen wir sie und entziehen ihren Jungen sozusagen einen Teil ihrer Säuglingsnahrung. Der andere Teil besteht aus Blattläusen, Raupen und anderen Kleintieren, die wir auch noch immer bekämpfen. Logisch ist das alles nicht.
Dr. Friedrich Buer