1. Februar 2014

Rot gefärbte Baumrinde - was ist das?

Das trübe Winterwetter legt seinen Grauschleier über alles. Umso mehr fällt jetzt rot gefärbte Baumrinde auf. Vor einigen Jahren war das Phänomen noch selten, inzwischen sieht man sie immer häufiger, meist an Stämmen und in Bodennähe, fast so, als wären Graffiti-Schmierer am Werk. Doch die sind unschuldig.
Die Färbung von hellrot über rostrot bis rotbraun entsteht durch Milliarden von rot gefärbten fädigen Algenzellen, jede kaum hundertstel Millimeter groß und nur im Mikroskop zu sehen (s. Zeichnung). Sie gehören zur Gattung Trentepohlia und obwohl sie rot aussehen, sind es keine Rotalgen sondern Grünalgen (Chlorophyta). Normalerweise leben Algen im Wasser, doch Trentepohlia und einige andere sind quasi zu Landpflanzen geworden, zu Luftalgen. Sie werden durch den Wind verbreitet, überstehen wochenlange Trockenheit und müssen nur gelegentlich feucht werden. Der rote Farbstoff liegt als winzige Körnchen in ihren Zellen und gehört zu den Carotinoiden, die auch die Möhren und Hagebutten rot färben und auch als Provitamin A bekannt sind. Bei Trentepohlia schützen sie wahrscheinlich die Fotosynthese vor Überstrahlung durch UV-Licht. Überall findet man neuerdings diese Luftalgen, auch an Waldwegen, Flussläufen und sogar in Reinluftgebieten.

Früher waren solche Algen als „Güllealgen“ bekannt, denn man fand sie in der Nähe von Ställen und Güllegruben. Sie lieben und brauchen Ammonium als Stickstoffdünger und der entweicht als Ammoniak aus Güllegruben und Tierställen. Doch da, wo wir die rote Baumrinde sehen, finden wir weder Güllegruben noch Ställe. Woher also kommt das Ammonium? Das kommt aus den Katalysatoren von Benzinautos, aber nicht aus denen von Dieseln! Das hat der bekannte Moosspezialist Jan-Peter Frahm schon vor fünf Jahren herausgefunden und dafür überzeugenden Beweise veröffentlicht (Biologie in unsere Zeit“ 2/2008(38), 94-101). An den Naturschutzverbänden scheint diese Erkenntnis vorbei gegangen zu sein, weil sie nicht zur modischen Verteufelung des sparsamen Dieselmotors passte.

Katalysatoren sollen die Stickoxide der Abgase zu vermindern. Denn die wirken wie Stickstoffdünger, der flächendeckend verbreitet wird und sich auch auf artenreichen Magerwiesen mit Orchideen niederschlägt. Jedes Jahr sind das immerhin 40 kg Stickstoff auf jeden Hektar. Folge: stickstoffliebende Arten werden einseitig gefördert und Magerpflanzen wie Orchideen verdrängt. Stickoxide sind deshalb Gift für die Biodiversität. Doch schon vor fünf Jahren war klar, dass wir den Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben haben. Denn anstelle von Stickoxiden wird Ammoniumnitrat aus dem Auspuff geblasen und zwar als Feinstaub, an dessen Gesamtmenge es sogar 20 bis 70 Prozent beteiligt ist. Schlimmer noch: Ammoniumnitrat düngt noch wirksamerer als Stickoxide! Und das alles aus den sauberen Benzinern und nicht aus den von den Naturschutzverbänden verteufelten Dieseln!

Vom Ammoniumnitrat profitieren Ammonium liebende (= ammoniophile) Pflanzen wie Trentepohlia, aber auch einige Moose und Flechten wie die auffällige Gelbflechte Xanthoria parietina, die man inzwischen überall auf Zweigen und Steinen sieht und deren leuchtendes Gelb jetzt auch besonders auffällt. Ebenfalls stark zugenommen haben Brombeeren, Hollunder und Brennesseln, die dank der Düngung per Kat inzwischen in Wäldern wachsen, wo sie früher nur ausnahmsweise vorkamen. Sogar auf den mageren Böden von Kiefernwäldern wuchern Brombeeren. Das gab es noch nie.

Ammoniumnitrat ist ein Salz und wirkt deshalb ähnlich wie das Meersalz, das der Wind an die Küsten ins Land weht und das man auf den Lippen schmecken kann. Nur salztolerante Küstenpflanzen halten das aus. Nun haben sich aber diese salztoleranten Pflanzen fern der Küsten auf den Mittelstreifen der Autobahnen verstärkt ausgebreitet, obwohl in den letzten Jahren weniger Salz gestreut wurde und die Salztoleranten eigentlich weniger werden müssten. Auch hier soll nach Jan-Peter Frahm Ammoniumnitrat aus den Kats der Benziner Grund sein, denn es wird zwar weniger Salz gestreut, aber es fahren mehr Auto mit Kat.

Birnbaumstamm mit roten Trentepohlia-Algen

 Gelbflechten (Xanthoria parietina) überwachsen die Äste

Mit roten Carotinoiden gefüllte Trentepohlia-Zellen, links unten zum Größenvergleich ein Sandkorn (Zeichnung nach Mikroskop)

Dr. Friedrich Buer